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Citizenslunch: Artistic Freedom Worldwide

am 3. Juni von 13 bis 15 Uhr, im tanzhaus nrw, in englischer Sprache

Bei einem Drei-Gänge-Menü und einem Glas Wein oder Wasser, mit drei Impulsen und Beispielen über Angriffe auf Meinungs- und Kunstfreiheit, wagen die Festivalteilnehmer:innen einen Blick über den Tellerrand und diskutieren Fragen und Strategien zum gesellschaftlichen Klima für ein Theater für junges Publikum weltweit.

Mit: Kim Seok-Hong, ASSITEJ Korea

Julia Dina Heße, ASSITEJ International

Aglaia Pusch, ASSITEJ Brasilien.

Moderation: Stefan Fischer-Fels, Kirstin Hess.

Akkreditierung für Theaterschaffende: westwind@dhaus.de

Hinweis: Dieses Lunch ist eine Performance, dauert 2 Stunden, hat 100 Plätze und ersetzt das „Mittagessen“ an diesem Tag.

Seok-hong Kim
Vorstandsmitglied von ASSITEJ Korea; Vizepräsident von ASSITEJ International; Mitglied von KAMS – Korea Arts Management Service

Seok-hong Kim ist Produzent und Kunstmanager, der sich seit Beginn seiner Karriere leidenschaftlich für die darstellenden Künste interessiert. Das Theater für junges Publikum spielt dabei ebenfalls eine wichtige Rolle in seinem Werdegang. So ist er seit langem mit ASSITEJ Korea und ASSITEJ International verbunden, wo er als Vorstandsmitglied bzw. Mitglied des Exekutivkomitees tätig ist. Derzeit arbeitet er für den Korea Arts Management Service (KAMS), eine staatliche Einrichtung, die sich für die Nachhaltigkeit von Kunstorganisationen in einem schwierigen Marktumfeld einsetzt. KAMS koordiniert seit fast 20 Jahren den Performing Arts Market in Seoul (PAMS). Bevor er zu KAMS kam, war Seok-hong mehrere Jahre lang für die Programmgestaltung eines lokalen Kunstzentrums in Seoul, Südkorea, verantwortlich.

Aglaia Pusch

Aglaia Pusch ist Mitbegründerin des Paideia de Teatro, das sie 1998 zusammen mit Amauri Falseti ins Leben rief. Das Theater ist Teil der Paideia Associação Cultural in São Paulo / Brasilien und dient als Forschungs- und Kulturzentrum für Kinder- und Jugendtheater. Sie arbeitet dort als Schauspielerin und Kostümbildnerin für Aufführungen und Projekte, die gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt werden. Seit 2007 ist sie Kuratorin und Generaldirektorin des internationalen Theaterfestivals für junges Publikum Uma janela para a Utopia, das jährlich in São Paulo stattfindet und als das wichtigste Festival der Region gilt – 2023 findet es bereits zum 17. Mal statt. Aglaia ist derzeit in CBTIJ und Rede Iberoamericana aktiv, Netzwerke, die mit ASSITEJ International und dem internationalen Festival in Brasilien FIBRA verbunden sind.

Julia Dina Heße

Julia Dian Heße arbeitet als Dramaturgin, Regisseurin und Moderatorin. 2018 hat sie ihre Position als künstlerische Leiterin des Jungen Theaters Münster aufgegeben, um sich auf internationale Projekte und Koproduktionen zu konzentrieren. 2019 erhielt sie ein Stipendium im Postgraduiertenstudiengang Kunstvermittlung Hildesheim-Marseille (Promotionsthema: Ökologische Nachhaltigkeit in Narrative & Ästhetik des TYA). Seit 2018 ist sie Vizepräsidentin der ASSITEJ Deutschland, wo sie auch für den „International Director's Exchange“ verantwortlich ist. Seit 2024 vertritt sie die ASSITEJ Deutschland im Beirat der Sektion Tanz & Theater des Goethe Instituts. Neben ihrer künstlerischen Arbeit, die sich vor allem interdisziplinären Performances für die frühen Jahre widmet, ist Julia Dozentin an der Universität Münster, Mitherausgeberin des Buches "Kindertheater. Jugendtheater. Zukunftsperspektiven für ein Genre" und veröffentlichte Beiträge in TYA-bezogenen Büchern und Zeitschriften.

Stichpunkte aus den Impulsen

Foto: Daniel Raboldt

Seok-hong Kim

Hallo zusammen, ich freue mich sehr, meine Gedanken zur Meinungsfreiheit im koreanischen Theater für junges Publikum mit Ihnen zu teilen.

Heute ist ein ganz besonderer Tag in Korea – der Tag der Präsidentschaftswahl. Diese Wahl findet nach der Amtsenthebung des vorherigen Präsidenten statt, der im Dezember letzten Jahres ohne rechtliche oder demokratische Grundlage das Kriegsrecht verhängt hatte. Auch ich habe an den Protesten teilgenommen, die die Amtsenthebung forderten. Besonders stolz war ich vor allem, dass so viele junge koreanische Frauen die Demonstrationen anführten. Daher denke ich, dass heute der perfekte Tag ist, um über die Meinungsfreiheit im Theater für junges Publikum in meinem Land zu sprechen.

In Bezug auf Meinungsfreiheit gibt es unterschiedliche Grade der Einschränkung. Einige sind klar erkennbar, andere versteckt oder indirekt. Südkorea ist eines der am schnellsten wachsenden Industrieländer der Welt. Seit Ende der Militärdiktatur Anfang der 1990er Jahre genießen wir in vielen Bereichen Meinungsfreiheit. Im Bereich des Theaters für junges Publikum gibt es jedoch noch immer Einschränkungen. So ist es beispielsweise in Korea sehr schwierig, ein Stück über LGBTQ-Themen für junges Publikum zu produzieren. Wenn eine Theatergruppe ein Stück zu diesem Thema für Kinder im Alter von 5 bis 12 Jahren aufführte, müsste sie mit heftigen Gegenreaktionen rechnen. Einige Eltern oder rechte Gruppen könnten das Stück boykottieren oder sogar öffentlichkeitswirksam fordern, es zu verbieten. Diese Art von Thema ist im koreanischen Theater für junges Publikum nach wie vor ein großes Tabu. Ich denke, dass dies auch in anderen ostasiatischen Ländern wie Japan und Taiwan der Fall ist. Dies ist ein klares Beispiel dafür, wie die Meinungsfreiheit faktisch eingeschränkt sein kann.

Ein weiteres wichtiges Beispiel stammt aus der Zeit vor einigen Jahren. Damals gab es einen großen Skandal in der koreanischen Kunstszene – den sogenannten „Blacklist-Skandal”. Die Regierung griff damals nicht zu offener Zensur. Künstler:innen durften sich frei äußern, aber diejenigen, die Kritik äußerten, wurden heimlich bestraft. Es wurde eine Liste mit Künstler:innen erstellt, die sich gegen die Regierung ausgesprochen hatten, und ihnen wurde stillschweigend die öffentliche Förderung gestrichen. In einem kapitalistischen Land wie Korea ist die Streichung von Fördermitteln ein wirksames Mittel, um Künstler:innen zu kontrollieren. Diese Art der versteckten Einschränkung ist sogar schlimmer als direkte Zensur. Ich glaube, dass das System der schwarzen Listen – oder der weißen Listen – noch nicht vollständig verschwunden ist. Es funktioniert möglicherweise noch im Verborgenen oder sogar unterbewusst.

Abschließend möchte ich noch auf eine andere Art der Einschränkung eingehen, die weniger sichtbar, aber ebenso gravierend ist. Dabei handelt es sich um den Druck, dem Kinder und Jugendliche in Korea ausgesetzt sind. Es gibt keine Vorschriften oder Gesetze, die ihnen den Theaterbesuch verbieten. Aber viele Kinder und Jugendliche fühlen sich aufgrund des starken Fokus auf schulische Leistungen davon abgehalten. Nach der Schule müssen sie zu privaten Nachhilfeschulen gehen. Dieses auf Wettbewerb und Leistungsgesellschaft basierende System macht es ihnen schwer, Zeit für Kunst und Kultur zu finden. Der Druck beginnt bereits in den unteren Klassen der Grundschule. Dies ist eine weitere Form der Einschränkung der Meinungsfreiheit – des Rechts von Kindern, zu spielen, zu entdecken und kreative Aktivitäten wie Theater zu erleben.

Dies sind die Herausforderungen, denen wir im koreanischen Theater für junges Publikum gegenüberstehen, und ich halte es für wichtig, sie zu diskutieren, wenn wir über die Meinungsfreiheit von Kindern und Jugendlichen weltweit nachdenken.

Vielen Dank.

 

Aglaia Pusch

1 – Wir mussten eine rechtsradikale Regierung durchleben, die das Kulturministerium einfach abgeschafft hat, was zeigt, wie wenig ihr Kunst und Kultur wert waren. Infolgedessen wurden die wenigen Strukturen und Programme, die wir hatten, eingestellt. Und die derzeitige Regierung hat es bis jetzt noch nicht geschafft, wiederherzustellen, was einmal existierte.

2 – Die Kommunal- und Landesregierungen, mit denen wir eng zusammenarbeiten müssen, sind rechtsgerichtete Regierungen, die ständig Programme beenden, die zuvor von den regionalen Kulturämtern aufgelegt wurden. Im Bildungsbereich, in dem wir stark engagiert sind, behindern die Bemühungen der Regierung, Schulen in staatsidiologische bzw. militärische Erziehungsmodelle umzuwandeln, zunehmend die Aktivitäten von kulturellen Einrichtungen und künstlerischen Gruppen. Somit wird die kulturelle Teilhabe der Schüler:innen faktisch eingeschränkt, insbesondere in Schulen in den ärmeren Stadtteilen.

3 – Das Wachstum evangelikaler Kirchen in unseren Städten, insbesondere in Vorstädten und ärmeren Regionen, ist ein großes Hindernis für die Arbeit von kulturellen Gruppen in Schulen und Gemeinden.

4 – Die Auslöschung unseres kulturellen Gedächtnisses ist eine zunehmende Praxis und hat dazu beigetragen, die Arbeit vieler kultureller Einrichtungen und künstlerischer Gruppen in unserer Stadt und in unserem Land zu behindern.